Herr Lege, was gab es heute bei Ihnen zum Mittag?
Sebastian Lege: Heute Mittag habe ich für alle Mitarbeiter und mich arabisch bestellt. Ich bin eigentlich gerade auf Keto-Diät, um ein paar Kilos zu verlieren.
Was ist denn eine Keto-Diät?
Damit wird eigentlich der Körper darauf trainiert, sich aus Fettzellen zu ernähren. Du isst keine Kohlenhydrate, sondern wirklich nur fettreiche Ernährung, um aus den Fettzellen Energie zu ziehen.
Und das funktioniert?
Bis jetzt ganz gut. Ich habe wirklich schon viel probiert, meine Fettleibigkeit kommt ja nicht durch Süßigkeiten oder Eiscreme, sondern einfach nur durch zu viel gutes Essen. Ich koche einfach zu gut und zu gerne und dann häufig auch sehr ehrlich und sehr deftig. Und das sieht man mir dann auch an.
Wie oft steht der Fernseh-Koch Sebastian Lege denn noch am eigenen Herd?
Ach, ich habe erst gestern gekocht. Da habe ich aus Chinakohl Kohlrouladen gemacht, dazu eine Sahnecreme und das alles in den Backofen geschoben. Ich habe mehrere Küchen zu Hause, die müssen ja auch bespielt werden.
Wieso haben Sie mehrere Küchen?
Eine Studioküche und dann jeweils eine Outdoor- und Indoorküche. Meine Frau darf sich dann was aussuchen. Wir kochen sehr international, selten nur deutsch. Es gibt bei uns keine verarbeiteten Lebensmittel. Wir haben viel Gemüse im Garten und eine LED-Farm in der Küche für Salate und Microgreens, also Keimlinge. Ich habe mir im Garten ein vier Meter langes Hochbeet gemauert, das wird gerade befüllt. Und Obst bauen wir auch selbst an.
Das klingt ja fast, als hätten Sie im Garten eine eigene Gärtnerei.
Nee, nee, ganz so ist es nicht. Das ist bei uns alles so angelegt, dass es von selbst wächst und wir wenig machen müssen.
Die TV-Zuschauer kennen Sie aus dem ZDF, der als Koch und Produktentwickler Lebensmittel und Fast-Food-Essen untersucht und die Zusammenstellung erklärt. Das war aber sicherlich kein Berufswunsch, oder?
Genau, das kann man ja nicht planen. Ich bin in Achim aufgewachsen und habe als 15-Jähriger eine klassische Koch-Ausbildung in Verden im Grünen Jäger begonnen, den gibt es ja schon gar nicht mehr. Dann habe ich als Koch in vielen Restaurants und Hotels gearbeitet, auch im Bremer Ratskeller und international in vielen Hotels. Anschließend bin ich als Entwickler zu Herta gegangen, die gehören zu Nestlé. Das war sehr erfolgreich, aber ich habe dann nebenbei noch selbstständig gearbeitet und konnte mich eine zeitlang kaum vor Anfragen retten. Bis dann durch die Banken- und Weltwirtschaftskrise viele Aufträge gestoppt wurden.
Aber Sie sind der Branche treu geblieben?
Ich habe ein sehr nettes Zeugnis bekommen und mich in der Lebensmittelindustrie beworben. Das hat in der Produktentwicklung gut geklappt, da bin ich wirklich gefördert worden. Bis ich eines Tages den TV-Koch Nelson Müller am Telefon hatte, als ich nebenbei noch Fisch an Restaurants verkauft habe. Da haben wir länger gequatscht und ich habe ihm erzählt, was ich eigentlich so hauptberuflich mache. Und genau so einen Produktentwickler suchte er für seine Sendung – das war meine Stunde null im Fernsehen im ZDF.
Wie heißt die Sendung?
„Wie gut ist…“ mit Nelson Müller. Da war ich drei Jahre lang sein Sidekick, also sein Partner. Und dann habe ich meine erste eigene Sendung bekommen: „Die Tricks der Lebensmittelindustrie“.
Sie sind derzeit so oft im Fernsehen zu sehen, dass man das Gefühl hat, Sie machen gleich mehrere Sendungen parallel.
Das ist gar nicht so falsch. Ich habe im Moment zwölf Primetime-Shows, davon acht beim ZDF und vier bei Vox. Und dann kommt noch der Youtube-Kanal hinzu.
So eine Fernsehkarriere können Sie ja nicht geplant haben.
Ich bin da wirklich ein bisschen reingestolpert. Aber ich habe auch die Gene meines Großvaters, der war auch ein sehr bühnentauglicher Mensch und für die Unterhaltung bekannt.
Waren Sie denn in der Schule auch der Klassenclown?
Auf jeden Fall, ich sage immer, ich hatte unbehandeltes ADHS. Ich hatte Konzentrationsschwierigkeiten, aber die Leute konnte ich immer unterhalten. Ich bin der Einzige, der erst nach der Schule schlau wurde.
Mit Ihren bunten Hemden und flapsigen Sprüchen wirken Sie wie jemand, dem nichts peinlich ist.
Nee, mir ist ziemlich egal, was andere von mir denken. Ich finde, je treuer man sich selbst ist, desto authentischer wirkt man. Das ist ja auch ein Stück Glaubwürdigkeit. Und wer im Fernsehen nicht auffällt, wird schnell wieder vergessen.
Wie kommen Sie denn auf Ihre flapsigen Sprüche?
Kommt alles von mir, ich habe keinen Autoren, der mir was aufschreibt. Das bin alles ich – Kamera läuft, Lege legt los. Ich habe da ein gesundes Selbstvertrauen.
Sie nehmen die Produkte großer Lebensmittelfirmen auseinander, die Hersteller kommen selten gut dabei weg.
Ja, aber alle Produkte, die wir jemals untersucht haben, wurden auch danach noch verkauft.
Man würde ja denken, dass die Verbraucher von einigen Produkten abgeschreckt werden und sie nicht mehr kaufen.
Aber gehen Sie mal zu Rewe in Achim, da stehen noch immer Ravioli aus der Dose oder Knorr-Fix-Tüten im Regal und werden gegessen. Für die Produkte gilt generell: Jede Werbung ist Werbung, auch wenn die Produkte schlecht dargestellt werden. Hauptsache, sie werden im Fernsehen erwähnt.
Kriegen Sie denn Rückmeldung von den Konzernen, wenn Sie Produkte entlarven?
Ja, aber nicht negativer Art. Die wollen eher, dass ich ihre Produkte optimiere und mich als Berater einstellen. Aber ich habe so viele Projekte, dass ich für die kommenden drei Jahre voll bin.
Und Sie sind nicht enttäuscht von Ihren TV-Zuschauern, dass trotzdem weiter Fertigpizza gekauft werden, obwohl die bei Ihnen gar nicht gut wegkam?
Mir reicht es ja schon, wenn ich die Menschen für Ernährung sensibilisieren kann. Gerade Kinder lieben die Sendungen, da bekomme ich viel Feedback. Das ist die schönste Bestätigung, wenn Eltern mir schreiben, dass ihre Kinder sie beim Einkaufen ermahnen. Und sie stark verarbeitete Lebensmittel meiden und bereit sind, die Zeit für eine ausgewogene Ernährung zu nutzen. Dass sie Nahrung nicht nur als Mittel gegen den Hunger sehen, sondern ein Gefühl für Geschmack entwickeln.
Schließen sich Fertignahrung und Qualität aus?
Nein, es gibt gut gemachte Fertignahrung. Die ist manchmal sogar besser gemacht als selbst hergestellte Nahrung. Aber man soll auf hoch verarbeitete Lebensmittel verzichten. Also auf alle Produkte, in denen mehr als vier Zutaten verarbeitet sind. Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, chemische Burger zu essen, sondern für ein Stück Fleisch, eine Kartoffel oder Karotte, also für nicht verarbeitete Produkte. Viele Krankheiten sind erst durch extrem verarbeitete Produkte entstanden. Wir essen alle im Schnitt pro Monat eine Kreditkarte aus Kunststoff, weil in den verschiedenen Lebensmitteln so viel Mikroplastik steckt. Wenn man bereit ist, mehr Geld in gute Ernährung zu stecken als in sein Auto und beim lokalen Anbieter Lebensmittel kauft, dann macht man schon viel richtig.
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Tragen Ihre Sendungen dazu bei?
Das denke ich schon. Ich selbst kaufe ja auch ganz viel bei Landwirten hier in der Umgebung. Der eine hat Geflügel, der andere Rind, der dritte Schweine. Da kaufe ich mein Fleisch. Das Fleisch aus dem Supermarkt kaufe ich nicht, das kriege ich gar nicht runter.
Sie haben allerdings auch die finanziellen Möglichkeiten, dort Bio-Lebensmittel zu kaufen. Das schafft nicht jeder.
Aber man muss ja nicht jeden Tag Fleisch essen. Es reicht doch auch, wenn man sich Pasta mit einer frischen Tomatensoße macht und darauf Parmesan reibt. Oder man kann sich ein Risotto kochen. Ich finde auch banale Gerichte richtig lecker, man muss sich nur die Mühe machen, ein paar Minuten Zeit zu investieren. Das ist ja das Problem: Die meisten Menschen haben keinen Bock, Zeit in Essen und Kochen zu investieren.
Das klingt einfach.
Ja, das ist es ja auch. Mir geht es darum, dass Kinder wieder Geschmack entwickeln. Wie schmeckt eine Tomate, wie schmeckt eine Kartoffel? Geschmackslehre, das wäre ein super Fach für die Schule. Den Kindern beibringen, wie wichtig Kulinarik ist, dass sie eine Leidenschaft und Emotionalität für Ernährung bekommen. Man könnte auch mal coole Köche in die Schulen schicken, um für Essen zu werben. Sodass die Kids das Gefühl bekommen, dass McDonald’s mit dem selbst gekochten Essen gar nicht mithalten kann. Es geht darum, Superlative zu schaffen in der Ernährung.
Wann waren Sie denn das letzte Mal bei McDonald’s?
Überlege ich gerade. Ich war zuletzt bei Burger King am Flughafen in Kuala Lumpur. Es gab nichts anderes.
Und das schmeckt, obwohl Sie wissen, dass da in dem Burger gar nicht das ist, was die Werbung verspricht?
Ach, ich bin doch auch nur ein normaler Mensch. Da muss man auch mal die Kirche im Dorf lassen. Man muss das ja nicht jeden Tag essen, sondern vielleicht zwei, drei Mal pro Jahr. Da spricht ja nichts dagegen.
Gibt es gutes Fast Food?
Was ist denn Fast Food überhaupt? Denken Sie mal an Sushi, da denken alle, das ist total gesund. Dabei hat Sushi einen unterirdischen Nutriscore. Da ist ohne Ende Zucker und Stärke drin, da sind ohne Ende Kalorien drin. Was ich meine: Es gibt so viele Produkte, bei denen man denkt, dass sie gesund sind – aber dann ist oft das Gegenteil der Fall.
Haben wir Deutsche ein Problem mit gutem Essen?
Zumindest sind wir nicht so emotionalisiert beim Essen wie die Italiener oder Franzosen. Bei uns steht Essen nicht so im Mittelpunkt. Wir haben die Spargel-, Gänse- und Grünkohlzeit und das war’s dann. In Italien und Frankreich hat Essen eine andere Wertigkeit.
Was würden Sie denn empfehlen für diese Wochenende, was sollte auf den Tisch kommen?
IIch bin ein großer Freund des Sonntagsbratens. Aber da sollte darauf geachtet werden, dass man den beim lokalen Bauern oder lokalen Metzger kauft und nicht beim Discounter. Das wäre meine Empfehlung.
Das Gespräch führte Mathias Sonnenberg.
Zur Person
Sebastian Lege (45)
ist in Bremen geboren und in Achim aufgewachsen. Bekannt wurde er im ZDF als Tester von Lebensmitteln und TV-Koch. Lege hat mittlerweile diverse Shows im ZDF und Vox.
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